2024-07-01 12:30

Der lange Weg zurück nach Roth

Work-Life-Balance für Fortgeschrittene.

--- Es ist nicht wenig Zeit, die wir haben, sondern es ist viel Zeit, die wir nicht nützen ---
(Lucius Annaeus Seneca, Von der Kürze des Lebens 1, 3)
Freitag, 11. September 2009
TA2009 - 7. Etappe: Levico Therme-Riva
Quelle: eigenes Bild
Themengruppe: MTB-TA2009
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Am Morgen gab es erstmal Ärger an der Rezeption, an der ich fast eine halbe Stunde vergeblich versuchte die Rechnung zu begleichen. Erst als ich mich umdrehte und unmißverständlich in Richtung Bike ging, war´s dann pötzlich doch möglich zu zahlen. Entsprechend zügig war dann auch die kurze Fahrt nach Caldonazzo. Ich brauchte erstmal wieder ein bischen Frischluft. Im Ort füllten wir die Wasserflaschen auf, denn es war bereits jetzt um 9:00 Uhr schon gut warm. Um die Superstrada nach Trento zu vermeiden nutzten wir einen kleinen Weg, der dafür aber mit satten 15 Prozent nach oben anzog. Obwohl wir kaum 30 Minuten bis auf den Pass brauchten war ich schon wieder klatschnass. Heute störte mich das aber nicht im mindesten und auf der folgenden Abfahrt hinunter ins Etschtal (ähm besser Val ´d Adige) trocknete mich bereits wieder der Fahrtwind. Der Weg hinunter war auch wieder so eine Nummer für sich. Nach einer Abbiegung ging es knackig 2 Kilometer bergab und zwar kerzengerade. Ich holte mir hier den Top-Highspeed der Tour mit 84 km/h. Als ich das am Abend ausgelesen habe war ich schon ein bischen zusammengezuckt. Wie sagt doch der Herr Aldag so schön in Höllentour: "Wirklich klug ist das ja nicht". Der Lago schien mich förmlich magnetisch anzuziehen.
Irgendwo zwischen Trento und Rovereto kam wir im Tal unten an. Die nächste Möglichkeit, die Etsch zu queren war allerdings 3 Kilometer nördlich, so daß wir erst einmal in verkehrter Richtung weiterfahren mußten. Dafür ging´s nach der Brücke nun schnurstracks nach Süden.
Wir hätten nun auf den Etschtalradwegfahren können und dann in Mori abbiegen. Das Mittagessen hätten wir bereits in Torbole verzehren können. Aber wer will schon nach so einer Tour auf der Weichei-Variante ankommen. Ich hatte am Abend vorher lange überlegt, wie man diesen Tag noch etwas Würze verschaffen kann. Nach reiflichen Kartenwälzen kam mir dann eine gute Idee.
Wir sagten dem Etschtal also gleich wieder lebewohl und bogen ins Val dei Laghi di Ciei ab, das uns hoch zum Passo Bordola bringen sollte. Der Plan war gut. Allerdings hatte ich 2 Punkte nicht beachtet. Zum Einen war der Anstieg morgens genauso der brütenden Sonne ausgesetzt wie die Ponalestraße 40 km weiter. Zum Andernen hatte ich nicht beachtet, daß die Straße ja auch hätte gesperrt sein können. Und das war Sie auch. Nach 400 der 1000 Höhenmeter verkündete ein Schild unvermittelt genau das. Da half jetzt alles nichts, wir ignorierten das Schild und fuhren einfach weiter. Nach 500 Metern sahen wir auch den Grund für die Vollsperrung. Eine Baustelle. Nett lächelnd schoben wir unsere Bikes durch und wider Erwarten gab´s nichtmal das sonst bei derartigen Aktionen in Italien übliche Gemaule seitens der Bauarbeiter. Immer höher schlängelte sich die Straße. Kurz nach den Seen hielt ich es für eine gute Idee, noch einmal die Kohlenhydratspeicher zu füllen. Kaum saßen wir an den weißgedeckten Tischen, kamen auch schon alle Bauarbeiter von vorhin zum Essen und grüßten uns erstmal. Wir hatten offenbar bleibenden Eindruck hinterlassen, bei der Affenhitze diese Straße heraufzutreten.
Nach der Rast ging´s dann mit beschwigtem Tritt hoch zum Pass. Hier oben war ich zuletzt auf meiner ersten ausgedehnteren MTB-Tour nach dem Vorfall im Knie. Und wie im Mai nahmen wir auch heute wieder den alten Verbindungsweg vom Pass nach Santa Barbara. Kaum waren wir um die Ecke baute sich vor uns schon der vertraute Anblick des Altissimo-Massivs auf. Der Blick auf´s Ziel sollte sich uns aber noch lange verwehren, denn gleich nach Santa Barbara bogen wir nämlich schon wieder links ab. Nun folgten über 1000hm feinste Trails hinunter nach Bolognano. Ich wählte die Endabfahrt der Extrema als letzte Abfahrt der Tour. Und die verlangte uns (mit den Transalp-rücksäcken am Rücken) noch einmal alles ab und erwies sich als würdiger Abschluß.
Auf ca. 400 Meter Meereshöhe wußte ich noch genau, wo ich abbiegen mußte. Und dann lag er quasi vor unseren Füßen. Tiefblau und fjordartig zwischen steile Felsflanken gequetscht. Auch beim x-ten Mal war es einfach wieder schön, den See nach der langen Tour zu sehen. In die Freude mischt sich dabei aber auch immer Wehmut, denn wenn man den See sieht, dann ist es unweigerlich vorbei. Eine Woche Freiheit und Leid, Landschaften und Kulturen, Pannen und neue Bekanntschaften, Stürze und Geschwindigkeitsrausch, Wehwehchen und mentale Höhenflüge, lange Anstiege und noch längere Trails. Verzicht, Qual und doch eines der schösten Erlebnisse, die man überhaupt haben kann.
Die restliche Abfahrt war schnell absolviert und wie im Rausch ging die Fahrt durch´s Industriegebiet von Arco. Als ob ich gerade mitten im Gardatrentino-Marathon unterwegs gewesen wäre, flogen die Kreisverkehre und Ampeln an mir vorbei. Ja und dann war es plötzlich da. Das Ortsschild von Riva. Ohne auch nur einen Deut herauszunehmen knallten wir die Einfallstraße weiter bis zum Centro Storico. Erst bei der Durchfahrt des alten Stadttors drosselten wir das Tempo, weil es sonst unweigerlich Verletzte gegeben hätte und rolten, Touristen wie Gesteinsbrocken umzirkelnd, hinunter zum See. Unsere Plätze im Porto Vecchio warteten bereits auf uns und wir feierten den unfallfreien Verlauf der Tour.

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