2024-11-28 02:36

Der lange Weg zurück nach Roth

Work-Life-Balance für Fortgeschrittene.

--- Es ist nicht wenig Zeit, die wir haben, sondern es ist viel Zeit, die wir nicht nützen ---
(Lucius Annaeus Seneca, Von der Kürze des Lebens 1, 3)
Montag, 13. Juli 2009
Challenge 2009: Finish
Quelle: eigenes Bild
Themengruppe: Wettkämpfe
...bereits 717 x gelesen
Ganz kurz vorneweg: Ich habe mein drittes Finish in Roth. Ich bin am Ende des langen Weges zurück in Roth angekommen.
Und das, trotz einem indiskutabel schlechten Laufsplit, sogar noch in einer persönlichen Bestzeit. Basis hierfür waren das Schwimmen und das Radfahren, die beide relativ nahe am für mich Möglichen waren.

War das Schwimmen bei meinem letzten Roth-Start noch mehr eine Horror-Erfahrung (mit 3 km Übelkeit, völlig überhitzt im Neo, usw.) fühlte ich mich heute einfach sauwohl im Wasser. Es waren fast 2 Meter Sicht unter Wasser und aus irgendeinem, mir völig unerklärlichem Grund konnte ich auf einmal Kraulen. Das ist wohl das größte Rätsel. Die insgesamt 3 (in Worten: drei) Trainingskilometer können ja kaum dafür verantwortlich gemacht werden. Bleibt evtl. das Skating vom Winter, das ja ungefähr die gleichen Muskelgruppen beansprucht. Aber egal. Ich konnte fast die komplette Strecke durchkraulen, nur immer kurz unterbrochen von 3,4 Brustzügen um mich zu orientieren. Ich schwamm dabei ziemlich am Rand des Kanals. So verpasste ich zwar den sog. Badewanneneffekt und verschenkte sicher ein paar Minuten, dafür konnte ich mich aber ab Boden orientieren und so fast wie im Pool schön geradeaus schwimmen. An einen Pool erinnerte übrigens auch die Wellenbildung. Die war nämlich kaum vorhanden. Dazu angenehme 20 Grad Wassertemperatur. Für mich waren es gestern im Wasser alles optimal. Gut, vielleicht so zehn Mal kam es zu ein bischen Gerangel, weil die äußere Schwimmbahn halt gern auch von den ängstlicheren Naturen bevorzugt wird und die zu Umschwimmen manchmal gar nicht so einfach war. Insgesamt war es aber das wohl beste Langstreckenschwimmen in meinem Leben und ich bin relativ entspannt mit 1:18 aus dem Wasser.
Ich bin bei einer Langdistanz mehr als einen halben Tag unterwegs, da will ich einfach ein bischen Komfort haben. Ich zieh mich deswegen bei beiden Wechseln komplett um. Radhose mit Trägern, Radtrikot, Handschuhe, Socken. Alles Sachen, die von eingefleischte Trias als unnötiger Luxus angesehen werden. Ich bin das als alter Mountainbiker aber einfach gewohnt. Ich brauch das. Dafür dauert der erst Wechsel bei mir halt immer ein bischen länger. Um genau zu sein 8 Minuten incl. Pinkelpause.
Dann kam aber das, auf was ich mich am meisten freute. Die Radrunde. Wie immer nutzte ich die ersten paar Kilometer bis Eckersmühlen um mich zu verpflegen, ein wenig zu sammeln, mich einfach auf die neue Bewegung einzustellen. An der Biermeile legte ich dann einfach Mal einen ersten Sprint ein. die Leute dort gröhlen immer so cool bei derartigen Einlagen. Heute war es fast windstill, leider waren die Lufttemperaturen ein wenig frisch. Ich hätte mir auf den ersten paar Kilometern einen Wind-Breaker gewünscht. Dann kam der erste der drei Anstiege bis Seligenstadt. Mir erschien der erst Hügel heute etwas flacher als noch vor ein paar Wochen. Bei mir ein untrügliches Zeichen für eine klasse Form. Hört sich vielleicht bescheuert an, aber wenn ich gut drauf bin, kommen mir die Steigungen immer flacher und bei mieser Form immer steiler vor als sie tatsächlich sind. Ab diesem Zeitpunkt war mir klar, daß ich heute richtig Druck haben werde. Scheint bei Tapering alles geklappt zu haben. und so war es auch. Bis zur Übernahme der Eigenverpflegung das 2. Mail in Eckersmühlen war mein Schnitt relativ deutlich jenseits der 30-er Marke. Dann kam aber etwas Wind auf, der vor allem den Weg hinunter nach Greding ausbremste. Dafür schob er einen dann wieder zurück nach Hilpoltstein. Am Ende der Radrunde stand aber eine für mich unglaubliche 5:50. Der größte Wermutstropfen war aber, daß die gereizte Sehne in meinem rechten Knie gegen Ende langsam anfing "zu Ziehen".
Wie schon geschrieben, schätze ich Komfort. Deswegen habe ich mich auch beim 2. Wechsel wieder komplett umgezogen. Laufsocken, Tight, T-Shirt. 5 Minuten sind doch da gar nicht mal so schlecht. Ich bin noch ein paar Sekunden auf der Bank sitzen geblieben und mich auf den Lauf einzustimmen. Mein Plan war folgender: 5-10 Minuten Laufen, 1 Minute Gehen um die Muskulatur wieder zu lockern. So hoffte ich irgendwie durch den Matrathon zu kommen. Anvisiert war ein Schnitt von 8-8,5 km/h. Das klappte bis zur Rückkehr zur Lände auch erstaunlich gut. Die bewussten Gehpausen (zuerst noch ohne Notwendigkeit) nervten zwar anfangs, später wurden sie dann aber immer willkommener. Insgesamt schafte ich es so, durch die erste Hälfte des Marathons zu kommen, ohne mir muskulär die Lichter auszuschiessen.
Das ich dann beim Laufen aber doch noch so richtig eingebrochen bin, war eigentlich ja zu erwarten, wenn man mit einer nicht auskurierten Verletzung ´ne Langdistanz angeht. Man versucht sich im Vorfeld ja mental mit vielen Eventualitäten einer Langdistanz auseinanderzusetzen, wenn es einen dann aber tatsächlich erwischt, ist es doch eine etwas ganz Anderes, als wenn man sich nur vorher theoretisch damit befasst.
Und erwischt hat´s mich so um den Kilometer 25 herum. Die entzündeten Sehnenansätze im Knie meldeten sich nun so vehement, daß an ein Laufen nicht mehr zu denken war. Ein bischen Traben vielleicht. Kurze Stücke. Aber nichts mehr, das den Namen Laufen verdient hätte. Und ab Kilometer 30 rächten sich dann die fehlenden Trainingskilometer und fehlenden langen Läufe in Form brennender Oberschenkel und Schienbeine.
Am Schluß war dann Wandertag angesagt. 15, 14, 13, 12 km. Es schien kein Ende nehmen zu wollen. Dazu die Schmerzen in Knie und Muskulatur. Der Gedanke an ein DNF kam langsam auf. So richtig über den Berg half mir dann ein Freund, der mir nochmal den Kick gab. "Das Finish holst du dir." Oder so Ähnlich. Auf jeden Fall schaute ich auf die Uhr. Ich hatte mehr als 3 Stunden Zeit für die letzten 10 Kilometer. Da gibt man nicht auf. Mein letztes DNF in Roth war bei Kilometer 10 und ich hatte da schon 2 Stunden nichts mehr im Magen behalten können und verbrachte mehr Zeit in den Büschen als auf der Laufstrecke. Heute wäre es reine Warmsduscherei gewesen. Das alles wurde mir gleichzeitig bewußt. Ich bin dann ins Ziel gegangen, und im Stadion reichte es dann noch für ein bischen humpelndes Traben bis zum Zielbogen.
Direkt dahinter holte ich mir die Glückwünsche von meiner Frau ab. Die hatte sich den besten Platz im Stadion ergattert. Ich blieb dann noch kurz bei ihr und schaute mir mit ihr ein paar anderen Gestalten an, die durchs Ziel kamen. Der Ärger über das verpatzte Laufen löste sich innerhalb von Minuten auf und ich war nur noch happy über mein Finish.

Was bleibt festzuhalten:
*Ich bin weitgehend verletzungsfrei durch die Challenge gekommen. Gut, ein obligatorischer Zehennagel wird sich verabschieden. Am Nacken die Scheuerstellen vom Neo, aber im großen und Ganzen nix Erwähnenswertes. Ich hatte weder einen Krampf noch Probleme mit dem Magen. Beides Sachen, mit denen ich an meinen letzten drei Starts ziemlich zu Kämpfen hatte.
*Ich kann auf einmal Kraulen.
*Auf dem Rad hab ich Druck wie noch nie.
*Eine Langdistanz ist einfach ein coole Sache. Allerdings hatte ich erfolgreich verdrängt, wie weh das Ganze tut.


btw.
Mein Einsteig ins Bloggen war der Artikel, an dem ich vor 9 Monaten in Hilpoltstein stehe und mir so meine Gedanken übers Rennen mache:
http://backtoroth.blogger.de/stories/1227416/

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