2024-06-17 18:15

Der lange Weg zurück nach Roth

Work-Life-Balance für Fortgeschrittene.

--- Es ist nicht wenig Zeit, die wir haben, sondern es ist viel Zeit, die wir nicht nützen ---
(Lucius Annaeus Seneca, Von der Kürze des Lebens 1, 3)
Sonntag, 1. Februar 2009
König-Ludwig-Lauf 2009, 50km Klassisch
Quelle: www.koenig-ludwig-lauf.de
Themengruppe: Wettkämpfe
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Nach dem Prolog gestern ging´s heute zum Hauptrennen. Der Start war erneut um 9.00 Uhr angesetzt. Das hieß also wieder um 6.00 Uhr aufstehen, 7.00 Uhr Frühstück, 8.00 Uhr ab zum Shuttle. Das heute mehr los war als gestern war auf den ersten Blick klar. Was mich aber wirklich überrascht hat, war der internationale Charakter des Rennens. Ein bunter Haufen von Volksläufern aus aller (vorwiegend skandinavischen und osteuropäischen) Welt stand am Start. Dazu die unvermeidlichen Japaner und Amerikaner. Schließlich sind wir ja am König-Ludwig-Lauf. Und der Namenspatron ist bei den genannten Nationalitäten ja bekanntermaßen recht populär.
Auf jeden Fall war heute klassisch angesagt. Im Vergleich zum Skating kommt da dem Wachsen eine gehörige Bedeutung zu. Die Gleitzonen hatte ich mit dem gleichen Aufbau wie gestern die Skating-Ski versehen. Weil ich meinen Wachskünsten für 50km nicht so wirklich über den Weg traute, hatte ich mich dazu entschieden, statt Steigwachs Klebestreifen aufzuziehen. Bei den erwarteten Temperaturen hätte ich damit auch 200km durchlaufen können, ohne Probleme mit der Steigzone zu bekommen. Ich war mir aber bereits ab dem Start klar, dass die Gleitzonen der 4 Jahre alten Ski eigentlich erledigt waren. Die Ski hatten einfach schon viel zu viele schneearme Winter erlebt. Dazu war der Ski auch mehr Low-Tech-Hobbygerät denn Hi-Tech-Renngerät. Das war mir aber heute egal, denn im Gegensatz zu gestern wollte ich heute einfach nur ankommen und dafür waren die Ski auf jeden Fall noch gut genug.
Vor dem Start gab es wieder die gleiche fade Veranstaltung wie gestern. Heute erfolgte die Aufstellung in etwa 40 parallelen Loipen in je ca. einem Meter Abstand. Allerdings hielten es etliche unsportliche Kameraden nicht mit dem Grundsatz “Wer zuerst kommt..” und eröffneten zwischen den regulären Loipen weitere Spuren. Außerdem werde ich nie verstehen, warum Leute (vornehmlich weiblichen Geschlechts), die sich völlig darüber bewusst sein müssen, daß sie nicht zu den Schnelleren gehören, sich vorne einsortieren müssen. Was beim Lauf-Marathon nur ein kleineres Ärgernis ist, wächst sich beim Klassik-Langlauf zu einem richtigen Problem aus. Denn Überholen ist nur schwer möglich. Es kam also, wie es kommen musste. Es ereigneten sich eine ganze Reihe von Kollisionen und Stürzen. Allein in meiner Spur lagen auf dem ersten Kilometer dreimal ein paar in sich verkeilte Langläufer direkt vor mir im Schnee. Ich hatte Glück und konnte durch jeweils recht spontane Spurwechsel ausweichen. Jeweils allerdings mit der direkten Gefahr dadurch selbst jemanden umzuräumen, was aber zum glück ausblieb. Ab dem Wendepunkt in Ettal entspannte sich dann die Situation und es ging auf 4 (immerhin doppelt so viel Spuren wie gestern) weiter. Insgesamt war der Start flüssiger und es gab weniger Stockungen. Auch an der Staustelle von gestern konnte man, nur leicht ausgebremst, durchfahren.
Leider war die Gleiteigenschaft der Ski heute deutlich schlechter als gestern, obwohl die Bedingungen eigentlich identisch waren (zumindest im Schatten der Berge). Der Unterschied fiel besonders auf, weil ich von gestern her mit wirklichen “Traum-Ski” verwöhnt war. Zumindest verrichtete aber die Steigzone mit dem Klebeband tadellos ihren Dienst. Wo viele andere schon Grätschen mussten, konnte ich noch in der Loipe durchlaufen.
Die einzigen Probleme traten bei den kleineren Abfahrten vor der 1. Verpflegungszone auf. Offenbar etwas ängstlicher veranlagte Menschen pflügten mit ihren Ski die engeren Abfahrten hinunter. Dabei blockierten sie die nachfolgenden Läufer und mangels Überholmöglichkeiten kam es wieder zu Karambolagen. Beinahe hätte es mich auch erwischt.
Gestern bin ich noch durch alle Verpflegungsstellen durchgefahren. Heute hatte ich eine andere Renntaktik. Ich hatte mich kurzfristig dazu entschlossen auf jegliche Selbstversorgung mit Gels und Riegeln zu verzichten (etwas genauer würde es wohl treffen, daß ich Gels im Hotelzimmer vergessen habe), daher musste ich für eine kontinuierliche Kohlenhydratzufuhr sorgen, was bedeutete, an jeder Station mindestens einen Viertelliter Iso-Plörre zu trinken. Es sollte eigentlich ganz gut funktionieren, schließlich habe ich schon Ironman-Distanzen oder 4000hm-MTB-Rennen nur mit flüssiger Energiezufuhr und ein paar Bananenstückchen überstanden. Allerdings mische ich sonst die Brühe selbst an. Denn sowohl was das Mischverhältnis oder aber auch den Geschmack angeht, kann man auf Wettkämpfen die “tollsten” Sachen erleben. Hier am König-Ludwig-Lauf war das Iso-Getränk aber absolut einwandfrei gemischt und verträglich.
Nach der Verpflegungsstelle lag die Loipe erstmals völlig in der Sonne. Sofort spürte ich, daß die Gleiteigenschaft der Ski spürbar abnahm. Offenbar sorgte die erhöhte Schneetemperatur in der Sonne in Verbindung mit dem großteils nicht mehr vorhandenen Schliff für einen ordentlichen Saugeffekt. Wie auch immer. Für den Rest des Tages würde ich auf den in der Sonne verlaufenden Stücken der Loipe ordentlich arbeiten müssen, soviel war klar. Wie gestern ging es auf den kleinen Wegen bis zur ersten Streckenteilung. Bereits jetzt war deutlich zu spüren, dass die Kunstschneepiste unter der Anzahl der Läufer gelitten hatte. Obwohl die Spur also schon recht tief war lief mein Ski wieder besser als auf der eigentlich besseren Loipe in der Sonne. verkehrte Welt.
Nach der Streckenteilung führte die Loipe dann auf einer Zusatzschleife grob in Richtung Schloß Linderhof. Am entferntesten Punkt gab es auch den einzigen nennenswerten Anstieg mit abschließender Abfahrt, die unmittelbar zur 2. Verpflegungsstelle führte. Hier galt es wieder nachzutanken. Bananen gab´s auch. Und so ging es frisch gestärkt weiter. Immer leicht abfallend ging es großteils in der Sonne (!!!) bis zur 3. Verpflegung. Ich war kräftig am ackern, während langsam all jene, die ich am letzten Anstieg eingesammelt hatte, mühelos an mir vorbeiglitten. Normalerweise hätte mich das schon angefressen, aber heute hatte ich damit überhaupt kein Problem. Heute lief ich ja rein auf Ankommen. Gut, 4 Stunden, das hatte ich mir so als Zielzeit vorgegeben. Aber sonst,m einfach ankommen. Nach der 3. Verpflegung ging´s an einer Straße entlang bis zu der Straßenquerung. War ich gestern noch links in Richtung Oberammergau abgebogen, so ging´s heute nach rechts zurück zum Startgelände. Nach 1h und 50 Minuten passierte ich das 25 km-Schild. Alles war im absolut grünen Bereich, nur der nun immer stärker wehende Gegenwind nervte ein wenig auf dem Weg hinauf zum Wendepunkt bei Ettal. Es ist schon etwas besonderes, wenn man so aus 30-40 Loipen auswählen kann. Dazu strahlender Sonnenschein (!!!) von einem weiß-blauen Bilderbuchhimmel. Diese Eindrücke brennen sich einem ins Hirn. Wie schon auf dem Schachen
vor ein paar Monaten muss ich unserem Kini wieder einen äußerst feinen Geschmack, die Landschaft betreffend, attestieren.
Nach dem Wendepunkt verengte sich die Loipe wieder auf 4 Spuren. Allerdings war die Kunstschneespur vor allem in den Anstiegen praktisch zerstört und das Vorwärtskommen wurde mühsamer. Dafür waren endlich einmal die Abfahrten frei. An der 4. (1.)Verpflegung gab´s wieder Iso mit Banane und weiter ging´s im strahlenden Sonnenschein (!!!). Nachdem es wieder in den Wald ging, waren die Spuren endgültig hinüber. Statt einem vernünftigen Abdruck wühlte man nur noch im Gries. In der Zusatzschleife dann das gleiche Bild. An der 5. Verpflegung verhieß dann der Blick auf die Uhr nichts Gutes. Im schönsten Sonnenschein (!!!) ging es weiter. Mein virtueller Zeitplan zeigte inzwischen mehr als 4 Stunden an. Das nervte dann doch und ich beschloß ab dem 40-er Schild mal ein bischen Gas zu geben. Leider verpufften die aktivierten Reserven in der weichen Spur. Wie immer auf langen Wettkämpfen, gönnte ich mir an der letzten Verpflegung einen ordentlichen Schluck Cola. Der Blick auf die Uhr zeigte unmißverständlich, daß die 4 Stunden nicht mehr zu schaffen waren. Ich nahm mir vor lieber mit wehenden Fahnen unterzugehen, als es nicht probiert zu haben und so gab ich Vollgas. Kurz nach der Staßenquerung lag die Loipe endlich wieder im Schatten eines Berges und plötzlich fing mein Ski wieder an zu gleiten. Obwohl mir klar war, dass ich die 4 Stunden nicht mehr würde knacken können, behielt ich mein Tempo bei. Nach der Brücke und der halben Stadionrunde kam ich bei 4.02 mit kräftigem Doppelstock-Einsatz ins Ziel.
Spaß hat´s g´macht. Und im Vergleich zu vielen anderen Wettkämpfen spürte ich kaum die Belastungen der letzten Stunden. So 10-20 km wären schon noch drin gewesen. Vielleicht sollte ich mich doch mal an was richtig langem versuchen. Als nächstes steht jetzt aber erstmal der Engadiner an. Das nächste Rennen der Wordloppet-Serie.

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